Frostnacht


Während das Land von klirrend‘ Kälte ganz umfangen,
stand ich am off‘nen Fenster in der Nacht.
Weit ausgebreitet vor mir lag das All in stiller Macht,
nichts regte sich, kein Wind strich über meine Wangen.

Es stand so schwarz, so ganz von Einsamkeit durchdrungen,
kein Stern am Himmel bot der Hoffnung Licht,
ja immer tiefer, immer leerer ward es dort vor meinem Angesicht,
als wäre jeder Lebenston schon jahrelang verklungen.

Der Frost begann ein düster-dumpfes Lied zu singen,
ein feines Rauschen voll von Lebensfeindschaft, voller Not,
und in ihm hörbar wurde, fern in seiner Tiefe, schon der Tod,
in dessen Dunkel jeder Lebenskampf vergeblich muss verklingen.

Auch alles Leid, das jemals ich in dieser Welt durchlitten,
stand unversehrt von Zeit und Raum vor meinen Augen auf,
als wär nur ew’ger Schmerz der Sinn des Lebens Lauf,
wär jede Grenze, weg vom Lebensquell, längst unumkehrbar überschritten.

Als dann die Dunkelheit mich gänzlich in sich fortgesogen,
flackerte im warmen Zimmer eine Kerze wie durch Atemhauch,
und zitternd, fast erloschen schon bewog der feine Rauch
mich, endlich umzudreh’n: der Todestaumel war verflogen.

Isabel Sahm, 16.03.2012

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