Großer Knollen

An der Steinkirche

An der Steinkirche

02.09.2012 – Der Südharz hat mich wieder – insbesondere die botanischen Besonderheiten am Steinberg bei Scharzfeld haben mich bewogen, in die Gegend unserer Karstfahrt für eine Tageswanderung zurückzukehren. Diesmal gehe ich vom Parkplatz an der Einhornhöhle los, wandere am nördlichen Rand des Parkplatzes nach links, dann leicht ansteigend und wieder nach Westen abbiegend durch den Wald. Nach einem kleineren Abstieg komme ich auf eine Forststraße parallel zum Bach Bremke, die zum Ort Scharzfeld hinführt; hier passiere ich einen Rast- und Spielplatz mit Wassertretbecken. Nach der Bachquerung führt wieder ein Pfad nach Westen hinauf in den Wald, dann geht es in südwestlicher und südlicher Richtung durch den Wald zum Naturschutzgebiet Steinberg. Kurz vor dem dort befindlichen Turnvater-Jahn-Denkmal öffnet sich der Wald und geht in Wiesengelände über. Am heutigen Tag ist ein Teil des Steinbergs als Schafkoppel abgezäunt; am Denkmal haben sich zahlreiche Schafe unter dem Schatten dreier Birken zum Vormittagsschlaf versammelt. Auf dem Steinberg fanden seit den 50er Jahren bis 1988 Kinderturnfeste statt; diese Tradition endete mit der Ausrufung als Naturschutzgebiet. (1)

Natternkopf und Dornige Hauhechel sind mittlerweile verblüht und haben Samen angesetzt, auch das Taubenschwänzchen ist nicht mehr zu entdecken. Dafür finde ich eine mir nicht bekannte Enzianart. Über den Steinberg geht es abwärts zur Steinkirche. Diesmal habe ich Muße, mir die Informationstafel an der Steinkirche genauer anzusehen. Sie besagt, dass die Steinkirche vor etwa 1000 Jahren von einer natürlichen Klufthöhle durch Abtragungen des Dolomitfelsens in eine frühchristliche Kirche umgewandelt wurde, die wohl durch ein Holztor verschließbar war. Kanzel, Altar und Weihwasserbecken sind heute noch zu sehen.

Die besondere kulturgeschichtliche Bedeutung ist jedoch auf Erkenntnisse aus Ausgrabungen zurückzuführen, die zwischen 1925 und 1937 vorgenommen wurden. 1926 wurde erstmalig ein etwa 15 000 Jahre alter Rastplatz von Rentierjägern entdeckt; man Bratplatten, Steingeräte aus Feuerstein, Teile einer Nähnadel aus Knochen sowie Knochen und Geweihe von Rentieren. Auch in der mittleren Steinzeit (zwischen 8000 und 5000 v. Chr.) sowie der vorrömischen Eisenzeit (5. – 1. Jh. v. Chr.) soll der Platz von Jägergruppen als Rastplatz genutzt worden sein. (2)

Durch das Mönchetal zuerst über Wiesen führt der Weg mit nur leichtem Anstieg zum Waldrand, wo sich ein Fliegerdenkmal für die am 30.07.1937 verunglückten Olympiaflieger Josef Windsor und Vladislav Němeček aus Olmütz befindet.

Knollenbaude

Knollenbaude

Dann führt mich der Weg mal stärker, mal weniger stark ansteigend in nordöstlicher Richtung hinauf zum Großen Knollen mit der Knollenbaude und dem Knollenturm. Im Gipfelbereich ist die Weglage etwas verwirrend; im Gegensatz zu weiter unten liegenden Wegspinnen ist hier keine Markierung mehr vorhanden, die auf den Gipfel des Knollens und die Knollenbaude hindeutet; dafür aber reiht sich eine Wegkreuzung dicht an die andere – offenbar will man dort nur solche Gäste sehen, die einen gewissen Orientierungssinn bewiesen haben. Ich entscheide mich dafür, immer den Weg zu nehmen, der am steilsten bergan führt, stehe auf diese Weise bald wirklich vor der Knollenbaude und genieße den Blick über den Harz und sein südliches Vorland.

Steil bergab führt zunächst der Pfad zurück, dann wechseln schmale Pfade mit breiten Forststraßen ab. Und wie schon vor Jahren, als ich hier das erste Mal, damals mit Hund, unterwegs war, stellt sich bald dieselbe Beklemmung ein, wie ich sie sonst im Wald nirgendwo jemals gekannt habe. Die Wälder hier oben sind einsam, aber das ist es nicht, viel zu oft bin ich schon allein in ebenfalls einsamen Wäldern ohne dasselbe Gefühl unterwegs gewesen. Ich kann es mir nicht erklären, woher es kommt, woher die beklemmend dunklen Gedanken kommen, die mich beim Abstieg wie eine Warnung begleiten. Auch vor Jahren schon ist es so gewesen; meine Mutter und meine Schwester haben Ähnliches berichtet. Vorbei an der Alfons-Kanefke-Hütte und dem Schweineplatz steige ich daher zügig abwärts. Ein schmaler Pfad führt durch dichten Unterwuchs schließlich zunächst zum Frauenstein, dann weiter zur Ruine Scharzfels. Der Frauenstein ist ein Dolomitfelsen, der in früheren Zeiten als Ausguck gedient hatte; im Zuge des Siebenjährigen Kriegs wurden um ihn herum gemauerte Anlagen errichtet. Am 25. 09. 1761 mußte Burg Scharzfels kapitulieren, nur wenig später, am 29.09. 1761, wurden sowohl Burg Scharzfels als auch die Anlagen um den Frauenstein von den siegreichen französischen Truppen geschleift und durch Sprengung vernichtet. (3)

Als ich Burg Scharzfels erreiche, löst sich die beklemmende Stimmung, freundlich liegen die Burgruinen im Abendlicht da. Man hat sich sehr viel Mühe gemacht, alle noch sichtbaren Teile der Burg sind mit neuen Informationstafeln versehen und verdeutlichen ihr früheres Aussehen, ihre Nutzung und Bedeutung. Die Burg war erstmals 1131 urkundlich erwähnt worden; im 17. und 18. Jahrhundert dient sie teilweise als Staatsgefängnis. (4)

Auch eine Sage rankt sich um Burg Scharzfels – sie soll in früheren Zeiten von einem Hausgeist bewohnt worden sein, der den Bewohnern wohlgesonnen war, aber nach Schändung der Burgherrin durch den Kaiser unter Beihilfe eines Mönchs die Dächer der Burg zerstörte und nie wieder ein Dach auf der Burg akzeptierte.

Wieder geht es steil bergab und steil bergauf bis zur Einhornhöhle. Eine nette Einrichtung an der Einhornhöhle ist vielleicht noch erwähnenswert: für Kinder ist eine Sprunggrube angelegt, in der sie ihre eigene Sprungkraft mit der Sprungkraft von diversen Tierarten vergleichen können. So wird der Besucher darüber informiert, daß Rothirsche 10 Meter weit springen können, Luchse 7 Meter weit , Wildschweine 4 Meter weit , Rehe 5 Meter weit, Eichhörnchen 4 Meter weit (immerhin das 20fache der eigenen Körperlänge), Füchse 3 Meter weit, Feldhasen 2,5 Meter weit, Springfrösche 2 Meter weit (das 33fache der eigenen Körperlänge), Marder 1,8 Meter weit, Wiesel 1,2 Meter weit, Waldmäuse 70 cm weit und Flöhe 60 cm weit (das 200fache der eigenen Körperlänge). Sicherlich Informationen, über die man sich nie Gedanken macht! Über den an die Einhornhöhle anschließenden Baumartenpfad, der insbesondere Kindern die verschiedenen einheimischen Baumarten näherbringen soll, erreiche ich in der Dämmerung wieder meinen Ausgangspunkt.

Wald an der Einhornhöhle

Wald an der Einhornhöhle


(1) http://www.karstwanderweg.de/tvj.htm, abgerufen am 25.03.2013
(2) Informationstafel an der Steinkirche
(3) Informationstafel am Frauenstein
(4) Informationstafel neben der Burgruine

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Eine Antwort zu Großer Knollen

  1. Peter Kerber sagt:

    I was at the Fliegerdenkmal today with some friends from Herzberg am Harz. It was a beautiful walk on a sunny day. My wife and I are visiting from Australia. I was curious to learn more about the people to which the memorial was dedicated and the circumstances surrounding the accident. The date on the memorial is actually 1936, not 1937. Were they Olympians or spectators? There doesn’t seem to be any information on them on line. Can anyone help fill in the gaps? Thanks, cheers!

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