Unheimlicher Wald am Regenstein

Regensteinmühle

Regensteinmühle

02.09.2013: Auch heute steht nur eine kleine Wanderung auf dem Programm, die man besser sogar nur als Spaziergang bezeichnen sollte. Aufgrund einiger Besonderheiten soll sie hier dennoch erwähnt werden.
Unser Startpunkt ist ein Parkplatz an der Straße, die von Blankenburg aus zur B81 führt (von Blankenburg kommen rechts gelegen). Wir verlassen den Parkplatz an seinem Südende, gehen ein kurzes Stück am Rand eines Ackers entlang und folgen dem Mühlenweg, der neben einem Graben einherführt, bis zur Ruine der Regensteinmühle. Achtung! Der Weg ist teilweise durch Felsabsätze etwas beschwerlich und für große alte Hunde nicht ohne weiteres begehbar bzw. nur unter Einsatz von menschlicher Körperkraft (kurzzeitiges Tragen des Hundes). Vom Bauwerk der Mühle selbst ist nicht mehr viel erhalten, in erster Linie die Spuren, die der Mühlenbetrieb im Sandstein hinterlassen hat, so etwa eine Laufrinne für ein Maultier sowie Furchen für die Mühlräder. Zu Demonstrations- und Tourismuszwecken wurden hier neue Mühlräder eingesetzt.

Sandhöhlen im Heers

Sandhöhlen im Heers

Nachdem wir die Mühle ausführlich begutachtet haben, wollen wir weiter zu den Sandhöhlen im Heers (so heißt das Waldstück hier) am Fuß des Regensteins. Ausgeschildert ist der Weg dorthin jedoch nicht, und im hiesigen Eichen- und Kiefernwald verlaufen gefühlte tausend kleine Wege und Pfade in sämtliche Richtungen. Ein Kompaß wäre jetzt nicht verkehrt, dabei haben wir allerdings keinen. Wir entscheiden uns, direkt hinter der Mühle nach links hinunterzugehen bis zum nächsten halbwegs größeren Weg, dem wir nach rechts folgen (ausgeschildert mit „Bahnhof Börnecke“). Nach einiger Zeit sehen wir etwas hell durch den Wald schimmern und gehen auf schmalem Pfad dorthin. Helle Höhlen im Sandstein – ja! Allerdings sind wir noch nicht am eigentlichen großen Platz angelangt, sondern nur an einer Gruppe von Nebenhöhlen, von denen es in diesem Wald so einige geben soll. Daher gehen wir wieder zurück auf unseren letzten größeren Weg und haben Glück: wir begegnen einem ortskundigen Ehepaar, das uns den Weg zu den Sandhöhlen näher beschreibt: zuerst nach rechts dem größeren Forstweg folgen, dann den dritten Weg nach links nehmen an einer Stelle, an der man die Burg Regenstein vom Tal aus sehen kann. Tatsächlich finden wir auf diese Weise den „eigentlichen“ Platz der Sandhöhlen – und es lohnt sich wirklich, diese zu besichtigen!

Sandhöhlen im Heers

Sandhöhlen im Heers

Große Höhlungen im fast weißen Sandstein bilden eine Art befestigten Kreis um eine tiefergelegene Fläche, die nicht bewachsen ist, sondern einem riesenhaften Sandkasten gleicht. Im Sandstein der Höhlen haben zahlreiche Besucher ihre Einritzungen hinterlassen. Wir gehen umher und erkunden das Gelände, dann machen wir uns wieder auf den Rückweg zum Parkplatz. Man könnte gut und gerne von hier aus – sogar ausgeschildert – hinauf auf den Regenstein wandern, aber so eine Steigung schafft der Hund einfach nicht mehr. Aufgrund der verwirrenden Wegedichte gehen wir auf unserem Hinweg – über die Ruine der Regensteinmühle – auch wieder zurück.

Sandhöhlen im Heers

Sandhöhlen im Heers

Der Heers ist ein sehr seltsamer Wald, in dem wir uns hier bewegen. Er hat eine völlig andere Charakteristik als der Harz überall sonst. Auf Sandboden wachsen knorrige Eichen und Kiefern, keinerlei Wind regt sich, die Luft steht vollkommen – eine unangenehme Schwüle herrscht hier an diesem eigentlich gar nicht so heißen Tag. Der Wald wirkt auch unabhängig davon irgendwie „anders“, unabhängig auch von der schwierigen Orientierung – feindlich fast, drückend und unheimlich. An manchen Stellen klingt der Boden dumpf, als fänden sich zahlreiche Hohlräume unter den von uns begangenen Wegen. Helle Höhlen schimmern hier und da durch den Wald, der vermutlich von unterirdischen Gängen zum Regenstein hinauf durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse.

Die Gegend um den Regenstein war lange Zeit Schauplatz heftiger Kämpfe. Seit Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Regenstein zur Festung ausgebaut; Streitigkeiten zwischen Braunschweig und Preußen waren für die Gegend prägend. Im Siebenjährigen Krieg gingen von französischen Besatzern intensive Plünderungszüge in die ganze Umgebung aus. Harte Kämpfe mit der preußischen Armee folgten. (1) Ist der Wald vielleicht hier so „anders“, weil unter seinem Boden zahlreiche Tote liegen, die einen grausamen Tod gestorben sind? Sind die Seelen der Toten in die Ausstrahlung, die Seele des Waldes eingegangen? So genau möchte man gar nicht wissen, was der Waldboden alles deckt, und keinesfalls verspürt man das Bedürfnis, in diesem Waldstück, beispielsweise auf Fahrt, eine Nacht zu verbringen.

Ruine Regenstein

Ruine Regenstein

Nachdem wir unseren Ausgangspunkt wieder erreicht haben, fahren wir von hier aus direkt zum Regenstein und besichtigen seine gewaltige Ruine. Ein absolut lohnenswertes, faszinierendes Ziel, das einem zudem noch großartige Ausblick auf das Harzvorland verschafft. Wahrscheinlich hatte der Regenstein, dessen Name möglicherweise von altsächsisch Regin, ‚hochragend, erhaben‘, oder von gotisch Regin, ‚Rat, Ratschluß‘, stammt, schon in frühgeschichtlicher Zeit Bedeutung. Am 21. Juni (Sommersonnwende) ist etwa die aufgehende Sonne genau in der Mitte einer augearbeiteten Öffnung im Kleinen Burgverlies zu sehen. Einer anderen Erzählung zufolge soll der Regenstein nach dem Jahr 479 von einem im Kampf Ausgezeichneten erbaut worden sein; ältere Schriften nennen König Heinrich I. als Bauherr. 1162 wurde der Regenstein erstmals urkundlich erwähnt.(2)

Die bedrückenden Eindrücke des Waldes Heers geraten für kurze Zeit in Vergessenheit, bleiben mir aber dennoch für die nächsten Tage erhalten. Vielleicht sind Menschen mit etwas weniger Empfindsamkeit, aber mehr robuster Abenteuerlust bei den Sandhöhlen im Heers besser aufgehoben!

Regenstein

Regenstein

(1)Wanderheft 23: Blankenburg am Harz – Regenstein-Teufelsmauer-Michaelstein, VEB Tourist, Berlin 1982, S. 36
(2)Wanderheft 23: Blankenburg am Harz – Regenstein-Teufelsmauer-Michaelstein, VEB Tourist, Berlin 1982, S. 30f.

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