Schutz gegen „böse Mächte“

Linaria vulgaris, Blüte
Den ganzen Sommer hindurch hat uns auf Wanderungen entlang von Wegrändern, auf Bahndämmen oder Schutt- und Ödflächen, auch an Geröllfeldern an Flüssen das Gemeine Leinkraut (Linaria vulgaris) mit seinen auffallenden, leuchtend gelben Blüten begleitet.
Andere Namen, die dieses mehrjährige Kraut bezeichnen, lauten – unter anderem – „Frauenflachs“, „Marienflachs“, „Wilder Flachs“, „Gelbes Löwenmaul“, „Göscherl“, „Kleines Löwenmäulchen“ (1).

Biologisch gesehen gehört das Kraut zu den Braunwurzgewächsen (Scrophulariaceae) (2).
Wer seine hübschen Blüten auch im Garten oder auf dem Balkon nicht missen möchte, kann es – neben der Möglichkeit der Anzucht aus Samen – auch über Wurzelschnittlinge, Stecklinge oder durch Teilung vermehren (3).
Eine Aussaat kann im Frühjahr/Sommer direkt im Freien erfolgen, die optimale Keimtemperatur beträgt 10-15 °C, die Keimdauer 7-10 Tage (4).
Die Blüten werden durch Hummeln bestäubt, bemerkenswert ist die große Samenproduktion: eine einzelne Pflanze erzeugt bis zu 32 000 Samen (5)!

Auch als alte Heilpflanze ist das Leinkraut bekannt (Inhaltsstoffe : die Flavonglykoside Linarin, Neolinarin und Pektolinarin sowie Peganin, Pektin, Zucker und organische Säuren) (6).
Die innerliche Anwendung erfolgt in der Volksheilkunde bei Erkrankungen des Verdauungsapparats (Blähungen, Verstopfungen, Magengeschwüre), sollte den Herzmuskel stärken sowie bei Muskelatrophien helfen können, äußerlich angewendet wurde es in Form von Umschlägen oder Salben bei Hautentzündungen oder Hämorrhoiden. Das frische, blühende Kraut wurde dabei im Juni bis September gesammelt und frisch oder luftig getrocknet verwendet – zu genauen Anwendungen schlage man in entsprechender Fachliteratur nach – da die Wirkung des Krautes noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht ist, sollte man generell Vorsicht walten lassen (7).

Auch im Volksglauben hatte das Leinkraut seinen festen Platz: man legte es Gebärenden oder kleinen Kinder unter, um sie vor bösen Mächten, Hexenzauber oder Verwünschungen zu schützen (8).
Auch war das Leinkraut Teil von sogenannten „Weihbüscheln“, die zu Maria Himmelfahrt (15. August), am Vorabend gesammelt, in der Kirche gesegnet wurden und aus einer bestimmten Anzahl und Reihenfolge von Kräutern gewunden wurden. Diese „Weihbüschel“ sollten Segen spenden und Unheil vertreiben, wurden gegen Krankheiten, Blitzschlag und Feuer verwendet oder als heilskräftiger Schmuck über Hof- und Stalltüren angebracht (9).
Das Leinkraut ist somit für unsere Vorfahren weit mehr als nur ein hübscher Begleiter am Wegesrand gewesen – ein guter Grund, um es sich hin und wieder einmal ganz aus der Nähe zu betrachten und sich über seine helle Farbenkraft zu freuen.


(1) Dietmar und Renate Aichele/ Heinz-Werner und Anneliese Schwegler: Was grünt und blüht in der Natur?, Kosmos Verlag, 2. Auflage 1983, S. 197 sowie
Lexikon der Heilpflanzen, tosa Verlag, tschechisch 1995, deutschsprachige Ausgabe 2002, S. 103, ISBN 3-85492-635-9
(2) Dietmar und Renate Aichele/ Heinz-Werner und Anneliese Schwegler: Was grünt und blüht in der Natur?, Kosmos Verlag, 2. Auflage 1983, S. 197, ISBN 3-440-04931-0
(3) Reinhard Witt: Wildpflanzen für jeden Garten – 1000 heimische Blumen, Stauden und Sträucher, BLV, München/Wien/Zürich, 2. Auflage 1995, S.174, ISBN 3-405-14566-X
(4) The Royal Horticultural Society/ Alan Toogood: Handbuch der Pflanzenvermehrung, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2000, S. 227, ISBN 3-8001-6682-8
(5) D. Aichele/ M. Golte-Bechtle: Was blüht denn da?, Kosmos Verlag, Stuttgart, 56. Auflage 1997, S. 222, ISBN 3-440-07244-4
(6) Peter und Ingrid Schönfelder: Der Kosmos-Heilpflanzenführer, Kosmos Verlag, Stuttgart, 5. Auflage 1991, S. 136, ISBN 3-440-06322-4 sowie
Lexikon der Heilpflanzen, tosa Verlag, tschechisch 1995, deutschsprachige Ausgabe 2002, S.103, ISBN 3-85492-635-9
(7) Lexikon der Heilpflanzen, tosa Verlag, tschechisch 1995, deutschsprachige Ausgabe 2002, S.103, ISBN 3-85492-635-9
(8) http://www.awl.ch/heilpflanzen/linaria_vulgaris/index.htm, abgerufen am 11.09.2011
sowie
http://von-hutten-apotheke.de/index.php?option=com_content&view=article&id=34&Itemid=3, abgerufen am 11.09.2011
(9) http://www.sulinet.hu/oroksegtar/data/magyarorszagi_kisebbsegek/2009/nemetek/Bawaz/pages/005_brauche_im_jahreslauf.htm, abgerufen am 11.09.2011

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