Im Südharz erhebt sich ein kastenförmiger Berg über die Wälder, manche sprechen sogar vom „Brocken des Südharzes“, obwohl beide Berge keineswegs miteinander vergleichbar sind und eine völlig andere Atmosphäre erzeugen. Der Brocken ist trotz seiner – häßlichen – Gipfelaufbauten wild, rauh und von seltsamer, düster-anziehender Ausstrahlung geprägt, der Stöberhai (720 m) dagegen ragt zwar über seine Umgebung auf, wäre aber, wenn man der Natur ihren Lauf ließe, waldbewachsen und daher um einiges zahmer und „lieblicher“ als seiner großer Hochharz-Bruder.
Am vorangegangenen Reformationstag – dankenswerterweise Feiertag in Sachsen-Anhalt – zog es uns im goldenen Oktober in Form einer Tageswanderung hinauf auf den Stöberhai, beginnend am Kurzentrum in Bad Sachsa, vorbei an einem Schulkomplex durch das erste Waldstück auf steiniger Forststraße zur Eulingswiese. Verlaufen kann man sich nicht – der Weg geradeaus nach Norden und bergauf ist immer der richtige. Am Vormittag waren die Wälder noch durch leichten Nebel verhangen, und so stiegen wir im Wesentlichen auf breiten Forstwegen allmählich hinauf, durchbrochen von einzelnen Mandarinenpausen an der Richtstieg-, Stephans- und Dr.-Hampe-Hütte. Die Stephanshütte bringt noch ein Stück historischer Bildung mit sich: Heinrich von Stephan (1831 – 97), dem zu Ehren sie hier im Wald Wanderern Zuflucht vor schlechtem Wetter bietet, war langjähriger Generalpostmeister des Deutschen Reiches sowie Gründer des Weltpostvereins gewesen und zudem Erfinder der Postkarte – so man dem angebrachten Hüttenschild Glauben schenken möchte.
Wer hier wandert, bewegt sich fernab der Menschenmassen, die sich im Hochharz-, vor allem im Brockengebiet auf den Wegen besonders bei schönem Wochenend- und Feiertagswetter beinahe über den Haufen laufen – der Südharz ist weniger bekannt und weniger begangen. Auch die Beschilderung ist weniger intensiv, man setzt offenbar mitunter noch gesunden Menschenverstand bei der Wegfindung voraus: wer auf einen Berg will, muß nach oben steigen, natürlich auch ohne Ausschilderung! Vor Jahren bin ich beinahe dieselbe Wanderung schon einmal gegangen – damals allein. Eigenartig, wie anders ein Weg wirkt und in Erinnerung bleibt, wenn man allein unterwegs ist. An diesem Tag wird viel geredet, und so bleibt wenig Zeit für intensive Naturwahrnehmung.
Der Gipfel hat die Form eines Plateaus, eine kurzgehaltene Wiese, umsäumt von Wald und einzelnen älteren Einzelbäumen. Nur an einer Stelle ist der Wald ausgeschnitten und bietet Sicht über die Harzhänge, in allen anderen Richtungen ist der Blick durch hochgewachsene Bäume verdeckt. Und dieselben Gedanken vom letzten Mal kommen auch heute wieder: was wäre das für ein wunderbarer, stiller, abgelegener Platz in den Höhen für ein Sonnwendfeuer… leider ein Ding der Unmöglichkeit in einer überregulierten Zeit wie der heutigen.
Als wir dort oben sitzen und die Aussicht über die Harzhänge begutachten, reißt der Nebel auf, wird von der stärker werdenden Sonne weggeschmolzen. Erst sind es nur winzige Sonnenflecken im Grau, durch die golden die Laubfärbung der Laubbäume und Lärchen durch den Fichtenwald schimmert, dann tauchen immer mehr und fernere Hügel aus der verdichteten Luft auf. Schließlich sind nur noch einzelne Nebelfetzen übrig, und in der Ferne taucht sogar der Brocken aus dem Nebel auf, genauso wie der Wurmberg mit seiner unverkennbaren Sprungschanze.
Sattgesehen an dem Schauspiel aus Nebel und Licht, gehen wir wieder – auf anderem Weg – zurück, zunächst durch die Wälder nach Wieda. Beim letzten Mal führte mich mein Weg bergab durch den ganzen, langen Ort, diesmal biegen wir am Parkplatz im Oberdorf wieder in die Wälder zurück ab – vorbei am Forsthaus, gehen wir zum Ausblick über den im Abendsonnenlicht glänzenden Ort an der alten Wache. Der Weg durchs feuchte, dunkle Ziegental zurück zur Eulingswiese bei Bad Sachsa ist bereits in Dämmerlicht getaucht, von der Eulingswiese zurück zum Kurzentrum gehen wir bereits bei Dunkelheit – das Jahr ist doch schon sehr weit fortgeschritten. Müde und ausgelaufen, klingt der Tag in einem Restaurant aus – wieder einmal ein schöner Wandertag vorbei.
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Meta
Die Herbstsonne scheint in mein Zimmer, während ich die Zeilen hier lese. Sie scheint mich ermuntern zu wollen, der Sehnsucht, welche die Worte geweckt haben, nachzugeben, doch ist der Harz, den ich so liebe, momentan nicht erreichbar. So versuche ich mich mit dem Anblick alter Bäume im Berliner Plänterwald zu trösten, wohl wissend, dass dies schwerlich ein Ersatz sein kann.
Liebe Grüße!